Mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze werden auch Änderungen im Siebten Buch des Sozialgesetzbuchs (gesetzliche Unfallversicherung) zum Berufskrankheitenrecht vorgenommen.
Was sieht das Gesetz vor?
Eine Reihe von Regelungen sollen das Berufskrankheitenrecht weiterentwickeln. Dazu gehört etwa der Wegfall des Unterlassungszwangs. Erkrankte müssen nicht mehr zuerst auf die belastende Tätigkeit verzichten, bevor sie ihre Berufskrankheit anerkannt bekommen. Ein weiterer Punkt ist die Stärkung der Individualprävention. Daneben sind Regelungen zur Beweiserleichterung sowie zur rückwirkenden Anerkennung von Bestandsfällen enthalten. Der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten wird rechtlich verankert.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. als Spitzenverband der gewerblichen und öffentlichen Unfallversicherungsträger veröffentlichte im Dezember 2016 Vorschläge zur Weiterentwicklung des Berufskrankheitenrechts in Form eines sogenannten „Weißbuchs“. Die Vorschläge entwickelte der Spitzenverband im Rahmen eines umfassenden Diskussionsprozesses gemeinsam mit der Selbstverwaltung der Unfallversicherung und beschloss sie konsensual. Auch die Arbeits-und Sozialministerkonferenz der Länder hatte Ende 2016 Vorschläge beschlossen, die sich in Teilen wiederfinden.
Vorschläge des Bundesrates bleiben unberücksichtigt
Der Bundesrat hat Mitte Februar 2020 Ergänzungen der Regelungen im Gesetzentwurf zum Berufskrankheitenrecht formuliert, darunter folgende Empfehlungen:
- gibt Fälle, in denen Gefährdungen selten sind oder es nur sehr geringe Betroffenenzahlen gibt. Der Bundesrat regt die Aufnahme einer Härtefallregelung für solche Fälle an. Sie soll gelten, wenn keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, um eine Berufskrankheit anzuerkennen.
- Eine Vermutungsregel zugunsten der Betroffenen wird empfohlen. Sie soll gelten, wenn nach Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel nicht feststellbar ist, dass es zu der für die Anerkennung als Berufskrankheit nach Art und Umfang erforderlichen Einwirkung im Rahmen einer versicherten Tätigkeit gekommen ist.
- Der Bundesrat fordert die Einrichtung eines sozialpolitischen Ausschusses „Berufskrankheitenrecht“ unter Beteiligung der Länder und Sozialpartner.
Anfang Mai 2020 hat der Bundestag das Siebte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Gesetze in der Ausschussfassung des Deutschen Bundestages beschlossen. Die oben genannten Vorschläge des Bundesrates blieben unberücksichtigt. Die Regelungen zum Berufskrankheitenrecht treten zum 1. Juli 2020 in Kraft.
SoVD-Bewertung
Der SoVD befürwortet die Empfehlungen des Bundesrates, eine ergänzende Vermutungsregelung und eine Härtefallregelung zugunsten der erkrankten Versicherten aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit. Zugute kämen diese Verfahrenserleichterungen gerade Betroffenen mit seltenen Fallkonstellationen oder beruflich verursachten Erkrankungen, die heute auftreten, aber bereits vor Jahrzehnten durch berufliche Einwirkungen verursacht wurden. Das hätte eine unbefriedigende Rechtslage korrigiert. Der SoVD ist enttäuscht, dass der Gesetzgeber die genannten Empfehlungen des Bundesrates nicht berücksichtigt, und fordert ein schnellstmögliches Nachjustieren.
Ein wichtiger Aspekt bleibt ebenfalls außen vor: Derzeit sind psychische Erkrankungen nicht unter den Berufskrankheiten aufgelistet. Dies gilt etwa für Depressionen. Deshalb regt der SoVD an, schnellstmöglich zu prüfen, inwieweit psychische Erkrankungen und Störungen in die Liste aufzunehmen sind. Die Aufnahme sollte der Ärztliche Sachverständigenbeirat prüfen. Im Rahmen der rechtlichen Verankerung des Ärztlichen Sachverständigenbeirates Berufskrankheiten unterstützt der SoVD außerdem die Forderung des Bundesrates, parallel einen sozialpolitischen Ausschuss unter Beteiligung der Länder und der Sozialpartner einzurichten. Dieser Ausschuss soll die Arbeit des Ärztlichen Sachverständigenbeirates Berufskrankheiten begleiten.