Das Rentenpaket ist ein sozialpolitisches Vorhaben der Ampelkoalition, mit dem die SPD ihr Wahlversprechen stabiler Renten durchsetzen will. Vor allem die FDP übte starke Kritik, dass jüngere Generationen damit zu sehr belastet würden. Wir sprachen mit der rentenpolitischen Sprecherin der SPD-Bundstagsfraktion, Dr. Tanja Machalet.
___Warum ist es so wichtig, das Rentenniveau auf 48 Prozent zu halten?
Das ist nicht nur für die Rentnerinnen und Rentner wichtig. Mit dem Rentenniveau sichern wir das Verhältnis zwischen Durchschnittslohn und der sogenannten Standardrente – eine Rente, die erzielt wird, wenn jemand 45 Jahre lang immer zum Durchschnittslohn gearbeitet und Beiträge eingezahlt hat.
Aktuelle Prognosen zeigen, dass das Rentenniveau in den nächsten Jahren um bis zu vier Prozent absinken wird. Genau dafür brauchen wir das Rentenpaket II. Ohne dieses würde eine Rente im Jahr 2040 von beispielsweise 1.500 Euro um knapp 100 Euro, also sogar gut sechs Prozent, geringer ausfallen.
Ich weiß, der SoVD ist ein Sozialverband und fordert ein Rentenniveau von 53 Prozent. Auch hier haben wir nichts dagegen, dafür braucht es wiederum politische Mehrheiten. Umso wichtiger, den Moment jetzt zu nutzen und das Rentenniveau bei 48 Prozent langfristig zu sichern.
___Warum dauert die Einigung so lange?
Wir sind drei Partner aus sehr unterschiedlichen Lagern und versuchen alle, das durchzubringen, was aus unserer Sicht für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes das Richtige ist. Dabei haben wir aber unterschiedliche Schwerpunkte und manchmal vielleicht auch unterschiedliche Biografien und Lebensrealitäten vor Augen. Hier einen gemeinsamen Nenner zu finden, ist nicht immer einfach. Aber wir arbeiten weiterhin konstruktiv daran, das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
___Wo sehen Sie besondere Herausforderungen?
Es ist natürlich nicht zuträglich, dass das Paket in der Presse von allen Personen – ob mit oder ohne rentenpolitische Funktion – kommentiert wird. Hier kursiert sehr viel Halbwissen, was zu Missverständnissen führt. Bei den einen besteht die Sorge, dass die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler noch mehr zahlen müssen. Das kann ich verstehen. Wir müssen uns hier aber auch ehrlich machen: Der Beitragssatz wird steigen. Auch ohne Rentenpaket II. Der Unterschied ist, wenn wir das Rentenpaket II nicht verabschieden, dann wird das Rentenniveau drastisch absinken.
___Welche Rolle spielt dabei die Rente nach 45 Beitragsjahren?
Aus Sicht eines Koalitionspartners soll die Rente für besonders langjährig Versicherte abgeschafft werden. Sie sei in Zeiten des Fachkräftemangels nicht mehr zeitgemäß und wir könnten sie nicht bezahlen. Vielen Dank erstmal dafür, dass Sie nicht den Begriff „Rente mit 63“ nutzen, wie viele andere. Er ist schlichtweg falsch, denn mit 63 kann man höchstens noch vorzeitig mit Abschlägen in Rente gehen.
Aktuell liegt die Altersgrenze bei 64 Jahren und vier Monaten. Das ist das Mindestalter für die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren. 2007 wurde das Gesetz verabschiedet, mit dem die Regelaltersgrenze nun schrittweise auf 67 Jahre angehoben wird. Schon damals war man sich einig, dass diejenigen, die noch vor ihrem 20. Lebensjahr angefangen haben, sozialversicherungspflichtig zu arbeiten, auch zwei Jahre früher abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. Das ist eine Frage des Respekts vor Lebensleistungen. Viele dieser Menschen stellen die Daseinsvorsorge sicher – in Krankenhäusern, Kitas oder im Einzelhandel. Das sind zum Teil körperlich sehr anspruchsvolle Jobs und wir dürfen nicht an deren wohlverdientem Ruhestand rütteln. Das ist für uns eine rote Linie!
___In unseren Beratungsstellen sind Erwerbsminderungsrenten häufig ein Thema. Hier gibt es zum 1. Juli einen Teilerfolg.
Sie haben es gesagt: Drei Millionen Rentnerinnen und Rentner erhalten ab 1. Juli 2024 einen Zuschlag zur Erwerbsminderungsrente, und darüber freue ich mich sehr.
Wichtig war es für uns auch, Anfang dieses Jahres gesetzlich einen Eingliederungsversuch für Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner auf den Weg zu bringen. Heißt: Man darf, obwohl man eine Erwerbsminderungsrente bezieht, für sechs Monate einen Arbeitsversuch starten. Und das, ohne befürchten zu müssen, den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente zu verlieren.
Die Rückendeckung ist für die Menschen, die einen Weg zurück ins Erwerbsleben suchen, enorm wichtig.
Oft beobachte ich, dass Betroffene zwischen den Trägern hin- und herlaufen, weil nicht eindeutig bestimmbar ist, ob ihre Situation ein Fall für die Unfallversicherung, die Bundesagentur für Arbeit, die Krankenkasse oder die Rentenversicherung ist. Bis sie endlich einen Bescheid bekommen, kann es einige Zeit dauern. Deswegen sind wir auch dabei, eine trägerübergreifende Fallmanagement-Struktur aufzubauen, um den Antragsprozess für Betroffene zu erleichtern.
___Was würden Sie sich für die Rentner*innen perspektivisch wünschen?
Auf einer persönlichen Ebene wünsche ich mir für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, dass sie ein Alter ohne existenzielle Sorgen führen können. In einer idealen Welt würden wir die Altersgrundsicherung abschaffen, weil wir sie nicht mehr brauchen.
Aber vielleicht setzen wir unsere Ziele etwas niedriger: Perspektivisch bin ich immer noch für eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen und bei der die Beitragsbemessungsgrenze deutlich angehoben wird.