Der Koalitionsvertrag steht kurz bevor. Doch beim wichtigen Thema Rente sind die Positionen der künftigen Regierungsparteien konträr: SPD und Grüne sehen die Zukunft der Altersversorgung in einer Erwerbstätigenversicherung. Die FDP plädiert für eine teils kapitalgedeckte Altersversorgung als Antwort auf die Herausforderungen des demografischen Wandels – aus Sicht des SoVD ein Trugschluss, der sich zulasten benachteiligter Menschen auswirken würde.
Die Bevölkerungsentwicklung ist eindeutig. Und wegen der steigenden Lebenserwartung kommen auf immer mehr Rentner*innen immer weniger Beitragszahlende. Vor diesem Hintergrund wird das Umlageverfahren, nach dem die aktuellen Beitragszahler*innen die Renten der aktuellen Rentner*innen finanzieren, zunehmend infrage gestellt.
Eine ausreichende Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung sei damit nicht mehr gewährleistet, sagen Kritiker*innen. Hierbei wird die öffentliche Diskussion immer wieder mit dem „Argument“ der Generationengerechtigkeit befeuert. Fragen wie: „Wer soll das alles bezahlen?“ legen nahe, dass die Jungen die Gesamtrechnung bezahlen müssen, später aber das Nachsehen haben.
Das schürt Ängste, spielt die Generationen gegeneinander aus und trägt zu einer noch stärkeren gesellschaftlichen Spaltung bei. Je öfter mit der Angstkeule ausgeholt wird, desto stärker die Kluft. Dabei wird die gesetzliche Rente aus SoVD-Sicht völlig zu Unrecht schlechtgeredet.
„Wir dürfen zunächst nicht vergessen, dass alle nachfolgenden Generationen von den Rentensteigerungen profitieren“, macht SoVD-Präsident Adolf Bauer klar. „Denn diese bilden die Grundlage für ihre spätere Rente.“ Insofern hätten auch die heute jungen Menschen etwas von der Stärkung der gesetzlichen Rente, so Bauer.
„Es ist hingegen eine Illusion, zu glauben, dass der demografische Wandel einen Bogen um die Kapitalmärkte macht“, sagt der SoVD-Präsident. „Auch hier wird der demografische Druck zu spüren sein. „Wenn von den Liberalen ein ‚Mehr an Kapital‘ im Sinne von privat angesparten Versicherungsleistungen als Lösung für den demografischen Wandel angebracht wird, ist das schlichtweg falsch und zu kurz gedacht.“
SoVD warnt vor Einstieg in eine „Aktienrente“
Das Sondierungspapier sieht einen partiellen Einstieg in die Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung vor. So viel steht fest. In welcher Form die getroffene Vereinbarung später umgesetzt werden könnte, ist hingegen noch nicht publik. Die FDP hatte im Wahlkampf mit einer sogenannten Aktienrente geworben.
Was ist damit gemeint? Und wie unterscheidet sich die kapitalgedeckte Altersvorsorge überhaupt von der gesetzlichen Rente?
Generell ist festzustellen, dass bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge die geleisteten Beiträge als Vermögen angespart werden. Der kapitalgedeckte Anteil setzt sich aus etwaigen Renditegewinnen und Zinserträgen sowie dem angesparten Grundkapital zusammen – wobei der kapitalgedeckte Anteil grundsätzlich auch in Aktien investiert werden könnte. Bei der Aktienrente fließt ein Teil der Beiträge für die gesetzliche Rente in einen Kapitalstock. Es fehlen also an dieser Stelle Beitragsmittel für die gesetzliche Rentenversicherung – einer der Gründe, weswegen der SoVD die Aktienrente strikt ablehnt.
„Renditeentwicklungen lassen sich nicht in die Zukunft fortschreiben“, betont SoVD-Präsident Bauer außerdem die Unwägbarkeiten des kapitalgedeckten Modells. Die von den Liberalen herbeigeredete „Demografieresistenz“ sei Wunschdenken: „Wenn die Lebenserwartung der Menschen steigt, muss das angesparte Kapital auf mehr Jahr(zehnt)e aufgeteilt werden. Die monatlichen Zahlungen schrumpfen. Und wer garantiert mir, dass ich mehr herausbekomme, wenn ich kapitalgedeckt einzahle?“
Gesetzliche Rente ist stabil und krisenfest
Noch einen Denkfehler hebt der SoVD-Präsident hervor: „In der Debatte um die Finanzierung der Altersvorsorge wird gerne übersehen, dass die Kosten so oder so anfallen.“ Gerade in diesem Kontext seien Stabilität und Krisenfestigkeit der gesetzlichen Rente jedoch ein großes Plus.
Auch der Leistungsumfang ist eine besondere Stärke der gesetzlichen Rente, die es aus Sicht des SoVD unbedingt zu stärken gilt. Denn sie zahlt nicht allein die Altersrenten, sondern auch Hinterbliebenen- und Erwerbsminderungsrenten für Menschen, die aufgrund von Krankheit nicht mehr voll oder nur eingeschränkt erwerbstätig sein können. Als Elemente des sozialen Ausgleichs erkennt die gesetzliche Rentenversicherung überdies Kindererziehungs- und Pflegezeiten an und bietet Rehabilitationsleistungen.
All diese Leistungen kommen zurzeit knapp 57 Millionen Versicherten zugute, darunter 19 Millionen Rentner*innen, die ihre Altersbezüge erhalten, und 1,8 Millionen erwerbsgeminderten Rentner*innen. Insgesamt wurden, so die Statistik, zum 31. Dezember 2020 monatlich 26 Millionen Renten gezahlt und knapp eine Million Leistungen zur Rehabilitation in 2020 erbracht. „Für den Großteil der Menschen ist die gesetzliche Rente damit die zentrale Einnahmequelle im Alter“, stellt Bauer fest und ergänzt: „In den vergangenen 130 Jahren hat die Deutsche Rentenversicherung nur einmal verspätet ausgezahlt. Das war nach dem Ende des 2. Weltkrieges.“
Vergleichsweise gering sind dabei die Verwaltungskosten, die mit nur etwa 1,4 Prozent zu Buche schlagen; im Vergleich: Bei der Riester-Rente, bei der es sich um eine durch Zulagen staatlich besonders geförderte, private Zusatzversicherung handelt, fließen im Durchschnitt bis zu 25 Prozent in die Verwaltungskosten.
Maßnahmen am Arbeitsmarkt können die Rente stärken
Der SoVD verschließt indessen nicht die Augen vor der demografischen Entwicklung: Ohne zusätzliche renten- und vor allem arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wird eine auskömmliche Altersversorgung für heutige und künftige Renter*innen-Generationen nicht zu sichern sein.
Eine zentrale Stellschraube ist die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung. Dafür kämpft der SoVD mit anderen Organisationen.
Untersuchungen belegen, dass durch die Erwerbstätigenversicherung gerade der Renteneintritt der Baby-Boomer-Generation finanziell abgefedert werden kann. „Die Erwerbstätigenversicherung kräftigt durch solidarisches Handeln das Vertrauen in die gesetzliche Rente, die letztlich immer nur ein Spiegelbild des Erwerbslebens ist“, erklärt Bauer. Wenn auch Selbstständige und Beamte einzahlen müssten, werde die finanzielle Basis gestärkt – wobei alle, die einzahlen, später Geld aus der Rentenversicherung bekämen.
Anlässlich einer aktuellen Vergleichsstudie mit Blick auf das Nachbarland Österreich spricht sich auch die Hans-Böckler-Stiftung für eine „Stärkung der Sozialversicherung als ein flexibles Instrument der sozialen Sicherung“ aus. Sowohl das generelle Leistungsniveau als auch Maßnahmen des sozialen Ausgleichs ließen sich im System der gesetzlichen Rente zielgenau politisch steuern, was mit einer fortgesetzten Teilprivatisierung der Rente kaum gelänge, so das Fazit.
Die Frage der Finanzierung der Alterssicherung in Deutschland ist aus SoVD-Sicht letztlich eine Verteilungsfrage: Entweder werden die Kosten öffentlich (mit-)getragen oder man verlagert sie ohne Abfederung und an vielen Stellen intransparent in den privaten Bereich gegenüber den Finanzmärkten.
Der SoVD appelliert an die künftige Regierung, von den Plänen einer Kapitaldeckung abzusehen und stattdessen das Vertrauen in die gesetzliche Rente zu setzen.